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             Herr 
              über Zeit und Raum 
               Gion A. Caminada baut für 
              die Ewigkeit - jetzt würdigt ihn eine Monografie 
              
            Der Bündner Architekt 
              Gion A. Caminada beschäftigt sich seit Jahren mit der Architektur 
              und den wirtschaftlichen Strukturen der Gemeinde Vrin. Aus der Analyse 
              des Ortes entwickelte er Strategien, welche zu einer nachhaltigen 
              wirtschaftlichen Stärkung dieser peripheren Randregionen führte. 
              Die Gedankengänge und die Bauten Caminadas werden derzeit in einer 
              Ausstellung in Meran einer berieten Öffentlichkeit vorgestellt. 
              Anlässlich der Ausstellung ist auch seine erste Werkmonografie erschienen. 
              
            Der aus Vrin stammende Gion A. Caminada 
              war ursprünglich Schreiner und ist nach seinem Studium wieder ins 
              Tal zurückgekehrt. Hier, wo er jede Ecke kenne wie er meint, hat 
              er die meisten seiner bisherigen Bauwerke errichtet. Caminada setzt 
              sich intensiv mit der Weiterentwicklung des traditionellen Strickbaus 
              auseinander, wobei es ihm weniger um die Erhaltung einer Tradition 
              geht, als um die Weiterentwicklung einer das Dorfbild schonenden 
              und für Vrin auch ökonomisch sinnvollen Bauweise. Caminada errichtete 
              anfänglich meist Ställe und Wohnhäuser. Mit öffentlichen Gebäuden 
              wie der Mehrzweckhalle von Vrin (1995), dem Schulhaus in Duvin (1995) 
              oder der legendären öffentlichen Vriner Telefonzelle in Strickbau 
              (1997) stiess sein Werk auch ausserhalb Graubündens auf reges Interesse. 
             
              Als eines der wichtigsten Werke in seiner Auseinandersetzungen mit 
              Vrin kann wohl die Totenstube (2002) gelten. Dieser doppelte Strickbau 
              vereinigt seine ganzen Erfahrungen und überführt das traditionelle 
              gemeinsame Abschiednehmen vom Toten in dessen Wohnzimmer in die 
              öffentliche Stube der Totenstube.  
            Trotz Globalisierung 
              wächst Vrin 
              Für Caminada ist es klar, dass sich das von der Landwirtschaft 
              geprägte Vrin der Globalisierung stehen muss. Um die wirtschaftliche 
              Grundlage der Gemeinde zu stärken entwickelte er zusammen mit dem 
              Agrarökonomen Peter Rieder und der Bevölkerung Vrins ein ökonomisches 
              Dorfmodell, welches auf der Erkenntnis gründete, dass sich «Kulturelles 
              und Soziales nur auf der Basis einer gesunden Wirtschaft entfalten 
              können». So musste die Landwirtschaft auf eine ökonomische Grundlage 
              gestellt werden, Grundstücke wurden zusammengelegt und ein Schlachthof 
              errichtet, um lokale Spezialitäten selber ins Unterland verkaufen 
              zu können. Auch gehen die Bauaufträge an lokale Handwerker und Sägereien, 
              damit dass das Geld im Tal bleibt. Dass die Bevölkerung in Vrin 
              zwischen 1990 und 2004 nicht mehr gesunken ist, sondern um 14 Personen 
              zunehmen konnte, darf als Erfolg dieses Modells angesehen werden. 
            Das Werk Gion A. Caminadas in einer Ausstellung 
              und als Buch 
              Kunst Meran zeigt in einer monografischen Ausstellung einen Überblick 
              über das Gesamtwerk von Gion A. Caminada. Seine Leitgedanken werden 
              anhand ihrer Umsetzung in der Vriner Dorfplanung und dem Landschaftsschutz 
              aufgezeigt. In Verbindung mit seinen Bauten und Projekten zeigt 
              die Schau auf, wie Gion A. Caminada Entwurfsprozesse gestaltet und 
              vorbereitet. 
            Zur Ausstellung ist auch die erste umfassende 
              Monografie zu Caminadas Bauten erschienen. Der aus dem Rätoromanischen 
              stammenden Titel «Cul zuffel e l'aura dado» kann mit 
              «Architektur mit den Winden» übersetzt werden. 
              Die unprätentiösen Fotografien von Lucia Degonda ergänzen 
              das Buch stimmungsvoll. Die Blickwinkel der Texte sind breit gefächert 
              und vermögen einen guten Eindruck von der fächerübergreifenden 
              Komplexität der Arbeit Caminadas zu geben. Doch ist kein reines 
              Architekturbuch entstanden. Die Publikation fokussiert über 
              den Ort Vrin auf die existentiellen Sorgen einer peripheren Region 
              und mögliche Lösungsansätze. 
            Die Publikation ist umso wichtiger, als 
              derzeit an der ETH Zürich Tendenzen bestehen, die Existenz der Peripherien 
              aus wirtschaftlichen Gründen zu untergraben. Der Architekt Marcel 
              Meili weisst derzeit immer wieder darauf hin, dass Täler wie das 
              Calancatal den Steuerzahler mehr kosten, als sie wirtschaftlich 
              leisten vermögen. 
            Gion A. Caminadas Arbeiten und Forschungen 
              als Professor an der ETH Zürich zur Stärkung der Peripherie sind 
              gerade wegen solcher Anfeindungen umso wichtiger. Die Monografie 
              zeigt, dass sich eine vermeidlich abgelegene Peripherie aus eigener 
              Kraft entwickeln, Spezialitäten fürs Unterland herstellen und für 
              die Bewohner von Stadtregionen ein willkommener Ausgleich in der 
              Freizeit sein kann. Walter Zschocke sieht zwar, dass Gion A. Caminada 
              nicht der Einzige ist, der «kontextuellen Ansätze» verfolgt, «aber 
              vielleicht der Konsequenteste». Es war höchste Zeit, dass über diesen 
              wichtigen Architekten ein Werkkatalog erschienen ist. 
               
            Daniel Walser 
              
            Bettina 
              Schorlauer, Cul zuffel e l'aura dado. Gion A. Caminada, Quart Verlag, 
              Luzern 2005, 200 Seiten, CHF 78.-, ISBN 3-907631-69-2 Zur Ausstellung 
              in Meran (bis 26. Juni 2005, www.kunstmeranarte.com 
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