Zwischen-Formen: Wenn Haltung Raum bildet
Ausstellungsbeitrag im Rahmen des gemeinschaftlichen Ausstellungsprojektes
«In Relation» zu Landschaft, Kunst und Architektur in Graubünden
In den letzten Jahren sind in Graubünden die architektonischen Haltungen äusserst vielfältig geworden. Vor allem bei jüngeren Protagonisten sind die entwerferischen Ansätze sehr unterschiedlich. Eine gemeinsame Position einer spezifischen Generation ist kaum auszumachen. Doch gibt es erstaunliche Verbindungen in den Themen der Auseinandersetzung. Dies wiederspiegelt sich vor allem in der Arbeit mit dem spezifischen Ort und der Landschaft, deren kulturellen Bezügen und einem räumlich definierenden Umgang mit der Gebäudestruktur. Jedes Architekturbüro gewichtet diese Aspekte aber unterschiedlich und setzt sie je nach Projekt anders ein.
Der spezifische Ort und die Landschaft als Referenz
Die Landschaft und der urbane Raum sind in Graubünden durchwegs kulturell besetzt und nicht räumlich oder funktional neutral. Simplifizierende oder standardisierte Lösungen funktionieren in einem derart vordefinierten und topografisch anspruchsvollen Umfeld - mit oftmals beschränkten finanziellen Mitteln - wenig zielführend. Die Architekten entwickeln ihre Projekte aus einer Auseinandersetzung mit dem spezifischen Ort. Was den Ort aber genau ausmacht und wie sich die Architekten darauf beziehen, hängt von der jeweiligen Haltung ab und unterscheidet sich teilweise von Büro zu Büro grundlegend. Die einen beziehen sich typologisch, andere in Konstruktion und Materialisierung und wieder andere über die Massstäblichkeit und räumliche Setzung auf den spezifischen Ort. Die individuellen Konzepte führen zu präzise zugeschnittenen Lösungen, die sich explizit auf den Ort beziehen.
Architektur in ihrer kulturellen, räumlichen Dimension
Architektur wird von allen Architekten in ihrer kulturellen Dimension verstanden. Die Gebäude beziehen sich hierdurch nicht nur funktional auf den Ort, sondern formen den spezifischen Ort durch ihre Haltung in Bezug auf die Gesellschaft, Architektur und ihre Geschichte. Die Architekten aktivieren und erweitern mit ihren Bauwerken den öffentlichen Raum und schaffen dadurch gesellschaftliche Relevanz. Die vielfach prägnanten Gebäudevolumen sind präzise in den Kontext verwoben ohne formalistische oder bildliche Analogien zu bemühen. Die Bezugnahmen sind vielschichtig mit dem Projekt verwoben und integraler Bestandteil der Interpretation des spezifischen Ortes und der innenräumlichen Idee des Bauwerkes.
Räumliche Definition aus Konstruktion und Tragwerk
Einen zentralen architektonischen Aspekt bilden die Konstruktion und die Gebäudestruktur. Diese werden räumlich ausformuliert und sind integraler Bestandteil der konzeptionellen Idee eines Bauwerkes. Nicht nur in Bezug auf den spezifischen Ort werden weniger Standardlösungen eingesetzt, sondern auch in der Auffassung, dass eine spezifische innere Gebäudestruktur die vielfach knappen Mittel effizient einsetzt und gezielte Lösungen erarbeitet. Die oftmals vom Büro selber durchgeführte Bauleitung ermöglicht auch in der Detailierung eine hochpräzise Umsetzung der konstruktiven Grundidee. In enger Zusammenarbeit mit allen am Bau Beteiligten ist es möglich neue Grenzen und Fertigungstechniken des Handwerks auszuloten und ein individualisiertes Bauwerk zu errichten.
Haltung als Methode
In Graubünden beziehen sich die Architekten explizit auf ihre reale Umgebung und entwerfen individuelle architektonische Lösungen für die spezifischen Orte ohne modisch zu sein. Die Projekte der Büros müssen nicht zwingend in Graubünden liegen, sind aber Teil ihrer Recherche. Viele Architekten haben auch ausserhalb des Kantons Projekte in Arbeit. Was die Büros verbindet, ist ein persönliches Engagement mit dem eigenen Architekturbüro für eine zeitgenössische Baukultur im Kanton Graubünden, wo sie auch den Sitz haben, und die Entwicklung einer eignen spezifischen Haltung.
Die Ausstellung verbindet die unterschiedlichsten architektonischen Ansätze miteinander und analysiert individuelle Haltungen einer jüngeren Generation von Architekten in Graubünden. Die Bandbreite an architektonischen Lösungen aber auch die Komplexität der Überlegungen ist erstaunlich. Dies wiederspiegelt die riesigen Unterschiede von Aufgabenstellungen und Anforderungen, welche nur schon innerhalb Graubündens an Architekten gestellt werden. Ob ein Bauwerk im Churer Rheintal, in Davos, in St. Moritz, im Val Lumnezia, in Avers oder im Misox gebaut wird, ist in seiner Grundvoraussetzung nur schon von den örtlich vorhandenen Ressourcen, den finanziellen Möglichkeiten und Bedürfnissen höchst unterschiedlich. Mit individuell zugeschnittenen Lösungen suchen die Architekten die oftmals beschränkten Ressourcen der Bauherren effizient einzusetzen und den komplexen Kultur- und Lebensraum zu erhalten und sinnvoll weiterzuentwickeln. Diesen architektonischen Lösungsansätzen wird in der Ausstellung nachgegangen, als eine kunstvolle Recherche an den Grenzen der aktuellen Profession der Architektur.
Daniel A. Walser, Kurator
Beteiligte Architekturbüros
Men Duri Arquint, Chur / Ardez, http://www.swiss-architects.com/
Ramun Capaul und Gordian Blumenthal, Ilanz / Glion
Angela Deuber, Chur, http://angeladeuber.com/
Marlene Gujan, Conrad Pally, Curaglia / Igis, http://www.gujanpally.ch/
Ivano Iseppi und Stefan Kurath, Thusis / Zürich, Iseppi/Kurath; http://www.urbanplus.ch/
Michael Hemmi, Haldenstein, http://www.michaelhemmi.ch/
Corinna Menn, Chur, http://www.corinnamenn.ch/
Jon Ritter, Chur, http://www.ritterjon.com/
Raphael Zuber, Chur, http://www.raphaelzuber.com/
Die Ausstellung ist ein Engagement der HTW Chur.
Programm der Ausstellung «In-Relation» |