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Forschungsprojekt Bruno Giacometti
Das Forschungsprojekt über das Werk von Bruno Giacometti sucht den Architekten nicht als den meist missverstandenen Regionalisten zu verstehen, sondern stellt die internationalen Konzepte und Ansätze des Architekten ins Zentrum. Seine ausgeführten Bauwerke sind Versuchsanordnungen für mögliche architektonische Lösungen allgemeingültiger Fragestellungen der damaligen Architektur der 50er Jahre.

 

International verflochtene Architektur von Bruno Giacometti

Bruno Giacometti (1907-2012) ist der jüngste Spross der aus Stampa stammenden Künstlerfamilie von Giovanni Giacometti (1868-1933) mit den Geschwistern Alberto (1901-66), Diego (1907-85) und Ottiglia (1904-37). Er setzte sich mit der Wahl des Berufs des Architekten bewusst von den künstlerischen Karrieren seiner Familie ab. Seine räumlich qualitätsvollen Bauten, um welche er selber nie grosses Aufhebens gemacht hat, suchen den Menschen funktionale, ausgefeilte Bauwerke für das tägliche Leben zu geben.

Doch bildet die Kunst integraler Betsandteil im Leben von Bruno Giacometti. Nicht nur ist er mit vielen Künstlern eng befreundet, auch hat er für das Kunsthaus Zürich verschiedenste Ausstellungen architektonisch begleitet und Ausstellungsräume geplant. Zudem kümmerte er sich um den künstlerischen Nachlass seines Vaters Giovanni Giacometti und sorgt bis heute mit akribischer Beharrlichkeit dafür, dass der Pariser Nachlass seines Bruders Alberto nicht vom Kunstmarkt aufgesogen, sondern wichtige Teile davon an die im Kunsthaus Zürich beheimatete Alberto-Giacometti-Stiftung gelangen konnten.


Siedlung Brentan, Castasegna, 1955-59.

Meisterwerke in Graubünden
Obwohl Bruno Giacometti in Zürich sein Architekturbüro besass, errichtete der gebürtige Bergeller in Graubünden etliche wichtige Bauwerke wie das Bündner Naturmuseum in Chur (1977-81). Herausragend sind die beiden Siedlungen, welche Bruno Giacometti für das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich EWZ in Castasegna (Brentan 1955-59) und Vicosoprano ( San Cassiano 1955-64) errichten konnte. Die Pläne dieser Siedlungen überraschen. Die abstrakte Plandarstellung der Sielung Brentan widerspiegelt die moderne Grundhaltung Bruno Giacomettis. Sie zeigt, dass seine oft als regionalistisch missverstandene Architektur weniger vom Ort her entwickelt worden ist, als dass er damals hoch aktuelle Baukonzepte einsetzte und erst in der Materialisierung Rückgriffe auf sinnvolle, lokal vorhandene Baumaterialien macht, welche die gestellten Anforderungen betreffend Dauerhaftigkeit und Funktionalität genügten. So wurden die Häuser teils in Bruchstein und in Holz ausgeführt, je nach pragmatisch-funktionaler Notwendigkeit. Doch wurde bei beiden Siedlungen auch gekonnt städtebaulich mit dem Ort umgegangen. Die Siedlung Brentan wurde locker in einem bestehenden Kastanienwald errichtet und in Vicosoprano unterstreicht der Architekt in einem Schreiben, wieso ein Satteldach für einen angemessenen Bezug zum höhergelegenen Dorfteil mit der Kirche wichtig ist.

Beim Postgebäude in Maloja (1949-50) erschliesst sich aus dem Studium der Pläne und Fotografien, dass das selbstverständlich wirkende Ensemble von Postgebäude und bestehenden Garagen. Mit einfachen Mitteln wie dem Verbinden der beiden Volumen über ein gemeinsames Vordach und der Weiterführung des Bruchsteines als mechanischer Schutz schafft Giacometti eine stimmige, einheitliche Situation.

International Verflochten
Vergleicht man Bauwerke wie das urbane Stadthaus in Uster (1959-62) mit dem ländlichen Postgebäude in Maloja (1949-50) oder der Siedlung Brentan in Castasegna (1955-59), werden unterschiedliche architektonische Haltungen und Absichten deutlich. Die grosse Spannweite der architektonischen Ansätze im Werk von Bruno Giacometti hängt mit der allgemeinen Entwicklung der damaligen Architektur zusammen, kann aber in seinem spezifischen Fall auch auf seine vielschichtigen Interessen und Beziehungen ins Ausland zurückgeführt werden.


Siedlung Manegg, Zürich, 1954-55, in Zusammenarbeit mit Robert Winkler.

Bruno Giacometti hat nicht nur den Schweizer Pavillon in Venedig (1952) und etliche Bauten für die Schweizer Verkehrszentrale in Paris und in Mailand errichtet. Parallel dazu stand er aber auch immer in engem Kontakt zu den Geschehnissen im Ausland. So hatte er regen Kontakt mit Architekten, Künstlern und Kritikern in Italien und Frankreich, verfolgte aber auch das architektonische Geschehen in Schweden und vor allem auch Finnland aufmerksam. Er war aktives Mitglied bei den Kongressen für Neues Bauen CIAM und bei Union Internationale des Architectes UIA. Eines der Ergebnisse dieser Auseinandersetzung mit der Architektur in Finnland und Schweden widerspiegeln sich beispielsweise in der Materialisierung aber auch der Setzung und Ausformulierung der Baukörper der Siedlung Manegg (1954-55), die Giacometti zusammen mit Robert Winkler in Zürich errichtete.

Das architektonische Werk ist in Gefahr
Doch das Werk von Bruno Giacometti ist heute vielfach in Gefahr. Viele seiner Bauwerke sollen saniert, verändert, umgebaut oder gar abgebrochen werden. Die Wertschätzung der Originalsubstanz und deren räumlicher Qualitäten ist meist nicht besonders gross. Die Schule in Vicosoparano (1956-64) wurde kürzlich Innen verändert. Das Wohnhaus am Höhenweg in Chur (1941-42), sein erster eigner Bau, ist vom Abbruch gefährdet und anstelle des bestehenden Postgebäudes von Scuol (1964) wurde kürzlich ein Projekt für ein Neubau eines Coops mit Büros vorgestellt.

Gute Architektur ist nicht nur die heute übliche Designarchitektur. Architektonische Qualität besteht auch in einer Alltagstauglichkeit und einem direkten Anspruch mit klaren, logischen Konzepten für das alltägliche Leben zu dienen. Bruno Giacometti schafft dies mit seinen unaufdringlichen Bauwerken.


Siedlung San Cassiano, Vicosoprano, 1955-64.

English summary:
Bruno Giacometti's international architecture

The aim of the research is to reinterpret the architecture of Bruno Giacometti as an international orientated architecture that is specified in case studies. Giacometti was not planning a regional architecture but working with international concepts.

Bruno Giacometti (1907-2012) is the son of the painter Giovanni Giacometti and the younger brother of the artist Alberto and Diego Giacometti. Bruno Giacometti was born in Stampa (Bergell), but he was not local architect: he had his architecture office in Zurich. However he built several important buildings in the Graubünden. In the occasion of his 100 birthday his work was discussed in relation to international, modern architecture and the question of specific site. Several of his buildings were looked into in detail, such as the Biennale pavilion in Venice (1952), the houses for workers in Castasegna (1957-59) and his contribution to the electrical power plant Albigna.

 

Bruno Giacometti, Architekt / Red.: Jürg Ragettli ... [et a.] ; Hrsg.: Bündner Heimatschutz ... [et al.]. - Chur : Verlag Bündner Monatsblatt, 2008.

Bruno Giacometti, architetto / a cura di Prisca Roth, Andrea Tognina e Jürg Ragettli. - Coira : Pro Grigioni Italiano, 2008

Publikation über das Werk von Bruno Giacometti (Deutsch)

Pubblicazione sulle opere di Bruno Giacometti (Italiano)

Bestellungen der Publikation:

Verlag Bündner Monatsblatt (deutsch)

Quaderni Pro Grigioni Italiano (Italienisch)