Pfleghard & Haefeli: Bauten für die Gebrüder
Bühler in Uzwil
Eine Identität für einen industriellen Bauherren
«Projekte machen ist schönstes Musizieren.»
Max Haefeli 1
Die Wahlfacharbeit vergegenwärtigt anhand des Industrieensembles
der Familie Bühler in Uzwil ein Kapitel des vielfältigen Werkes
der Architekten Pfleghard & Haefeli. Es werden verschiedene Zeitströmungen
und Aspekte der Bautätigkeit für die weltweit tätige Industriellenfamilie
Bühler zwischen 1898 bis 1912 aufgezeigt. Gleichzeitig versuchte
sich die Schweiz als eigenständiger Kulturraum zu definieren. Der
hieraus entstehende Konflikt von internationaler Offenheit und nationaler
Selbstdefinition äussert sich sowohl architektonisch in den Haltungen der Architekten Pfleghard & Haefeli, H. M. Baillie Scott und anderen und existiert parallel dazu auch in der Familie Bühler, den Auftraggebern der jeweiligen Bauaufgaben.
Wenn über die Arbeiten von Pfleghard
& Haefeli gesprochen wird, sind die Reaktionen bis heute oft irritiert. Begriffe wie
Historismus, Manierismus, Nationalismus und Heimatstil werden als
negative Entwicklung, vormodern oder romantisch verzerrt wahrgenommen. Doch
ist erstaunlich, wie stark ihre Bauwerke noch immer das Bild
unserer Innerstädte prägen: Geschäftshäuser in den Innenstädten von
Zürich und St. Gallen, verschiedenste Villen in der ganzen Schweiz
und Sanatoriumsbauten zeugen von der Vielfältigkeit aber auch Modernität ihrer Bauwerke.
Ihre Gebäude gelten heute oft nur als Zeugen einer Übergangsphase
zwischen Historismus und der modernen Architektur. Dies mag zeitlich
richtig sein, doch verkennt man hiermit die Absichten dieser Architektur.
Diese Zeit war unglaublich reich an Innovation und dem Willen modern zu sein, ohne die Geschichte, sei sie lokal oder international abzulegen.
Zwar haben die Architekten Pfleghard & Haefeli ein riesiges bauliches Werk hinterlassen und ihre Bauten prägen unser Bild der Schweiz bis heute, doch ist ihr Werk weder aufgearbeitet noch bekannt obwohl sich ihre Arbeiten künstlerisch und architektonisch auf dem höchsten damaligen Niveau bewegen.
In dieser Zeit fand eine thematisch breite
architektonische Diskussion über die grundsätzlichen Fundamente
der Architektur statt. Auch war diese Zeit sehr innovativ an Erfindungen
und neuen Techniken. Viele der später sogenannten «modernen» Konzepte
und Verfahren besitzen ihren Ursprung in dieser Periode. Alle wichtigen
Entwicklungen der späteren «modernen Architektur» nahmen hier ihren
Anfang. Auch genossen die meisten späteren Exponenten der modernen Architektur hier
ihre Ausbildung. Ihr Rüstzeug war das Wissen um 1900. Des weiteren ist für die Architekten zentral, dass der Heimatschutz zu Beginn eine befreiende Kraft gegen den verstaubten Akademismus besass. Die Architekten waren auf der Suche
nach den fundamentalen, örtlich bedingten Gesetzen ihres Berufes,
welche sie als andersartig auf dem Land und in der Stadt interpretierten.
Die Schweiz war das einzige Land, in welchem
die liberale bürgerliche Revolution von 1848 reüssierte. Sie galt
als Beispiel einer freien Nation aus freien, aufgeklärten Bürgern,
die über das Feudalsystem gesiegt hatten. Im Schweizer Werkbund
beispielsweise war zu Beginn die selbständige Nation Schweiz eines
der wichtigsten Grundthemen in den Diskussionen. Das Nationalgefühl
erlebte einen ersten Höhepunkt und wollte sich auch architektonisch
ausgedrückt wissen, wie dies Alfred Altherr als Schweizer Vertreter
an der Werkbundtagung 1914 in Köln unterstrich.2
Die Architekten Pfleghard & Haefeli konnten
in Uzwil für die Familie Bühler zwischen 1898 und 1912 von Fabrikbauten
über einen Weltausstellungspavillon, von Arbeiterwohnungen bis zum
Landhaus des Firmenbesitzers ein grosses Spektrum von Werken umbauen
und neu erstellen. Die Arbeiten beschränkten sich nicht auf ein
einziges Betätigungsfeld, sondern beschäftigten sich mit den gesamten
baulichen Bedürfnissen der Bauherren. Ihre Arbeit steht im Zeichen
der Zusammenarbeit zwischen Architekt und Industrie, wobei die jeweiligen
Ideale von Bauherr und Architekt näher beieinander lagen als dies
später der Fall war.
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Pfleghard und
Haefeli bauten von 1902 bis 1908 für Adolf Bühler
in Uzwil das Landhaus Sonnenhügel. (Fotografie: Schweizerische
Bauzeitung, 5. April 1913) |
Städtebaulich lehnen sich Pfleghard & Haefeli
an das Vorbild der englischen «Tompany Towns» an. Doch widerspiegelt
sich in ihren Bauten in Uzwil durchaus der ländliche Ort der Gebäude.
Sie unterscheiden klar ein Gebäude auf dem Land von einem Städtischen.
In der Stadt ordnen sich die Gebäude in den städtischen Kontext
ein. Auf dem Lande sind sie freier. Die Gebäude treten hier mit
der Landschaft in Beziehung. So nützen sie die Möglichkeiten des
regionalen Handwerks und versuchen die architektonischen Typen der
Umgebung nicht durch neue Extravaganzen zu konkurrenzieren, sondern
sich einzuordnen. Doch an erster Stelle steht die funktionale Erfüllung
der gestellten Aufgabe. So können sie ihre Landhäuser und Villen
in die Landschaft einfügen und die Sanatoriumsbauten auch entgegen
der Topographie auf die Sonne ausgerichtet werden.
Da in der Schweiz die Jahrhundertwende noch
immer stark aus dem Blickwinkel der Geschehnisse um den Deutschen
Werkbund untersucht worden ist, musste zu einem grossen Teil mit
Quellenmaterial gearbeitet werden. Bis anhin wurde kaum über Pfleghard
& Haefeli publiziert. Die Grundsteine mussten selbst zusammentragen
und ein Überblick über das Werk erarbeitet werden.
Für die Wahlfacharbeit erschwerend war die
kleine Ressourcenlage. Im Plannachlass von Pfleghard & Haefeli,
der sich im gta in Zürich befindet, fehlen Skizzen, Zeichnungen
oder schriftliche Überlieferungen. Bei der Firma und der Familie
Bühler sind von Pfleghard & Haefeli kaum mehr schriftliche und fotografische
Quellen vorhanden. Auch sonst habe ich kaum weitere Quellen erschliessen
können. Lediglich in der Schweizerischen Bauzeitung wurden ihre
Arbeiten regelmässig publiziert. Doch erschienen von Otto Pfleghard
und Max Haefeli kaum Texte unter ihrem eigenen Namen. So musste
die Arbeit zu einem grossen Teil auf das Studium des Umfeldes und
der Zeit, in welcher Pfleghard & Haefeli gearbeitet hatten, abgestützt
werden.
Daniel A. Walser, Zürich 2002
Wahlfacharbeit als pdf (19 MB)
1 Haefeli, Max, Campo d'oro - Tusculum
eines Architekten. Zu Max Haefelis 70. Geburtstag, in: Schweizerische
Bauzeitung, 2. Dezember 1939, S.267-274, S.268.
2 Altherr, Alfred, Vertreter des Schweizerischen
Werkbundes Alfred Altherr, in: Muthesius Hermann, Die Werkbundarbeit
der Zukunft. Der Werkbundgedanke in den germanischen Ländern,
Jena 1914, S.13-16.
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